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Durch verstärkten Wettbewerb und hohe Innovationsraten steigt der gesamtgesellschaftliche Aus- und Weiterbildungsbedarf ständig. Ein zunehmender Anteil der Bevölkerung erhält eine qualifizierte Erstausbildung, die durch den schnellen Wandel von Arbeitsinhalten und -werkzeugen immer häufiger durch Weiterbildung ergänzt werden muß. Gleichzeitig sind Firmen und öffentliche Bildungsträger einem massiven Kostendruck ausgesetzt.
Auf der anderen Seite sind Informations- und Kommunikationstechnologien innerhalb sehr kurzer Zeit zum alltäglichen Bestandteil der Lebens- und Arbeitswelt vieler Lernender geworden. Dies umfaßt Personalcomputer ebenso wie das World Wide Web und eine Reihe von Technologien, die unter dem Schlagwort Multimedia popularisiert wurden.
Erwartungen, daß Computer - vor allem in Verbindung mit multimedialen und hypermedialen Lernumgebungen - einen Beitrag zur Verbesserung und Flexibilisierung der Lernsituation leisten können, werden teilweise euphorisch unterstützt, teilweise auch energisch abgelehnt. Die Ergebnisse bisheriger Evaluationen geben dazu ein uneinheitliches Bild. Dies ist nicht zuletzt auf die sehr unterschiedliche und oft unzureichende Evaluationsmethodik und die Zusammenfassung verschiedener Formen computerunterstützten Lernens zurückzuführen.
Im Rahmen dieser Arbeit liegt der Fokus auf hypermedialen Lernsystemen und ihrem Einsatz im Kontext der universitären Ausbildung. Systeme, die primär der Lehrunterstützung dienen, spielen ebenso wie andere Formen computerunterstützten Lernens eine geringere Rolle.
Hypermedia kann als Verbindung der Konzepte Hypertext und Multimedia über die Aspekte Medium, Struktur, Interaktion und Operationen definiert werden. Der Begriff steht für multimodal und multicodal präsentierte Inhalte, die in einer Knoten-Link-Struktur auf Computerplattformen organisiert und digital gespeichert sind. Der Zugriff erfolgt interaktiv und ist ebenso wie die Gestaltung von Hypermedia eine prinzipiell nichtlineare Tätigkeit.
Kognitionspsychologische Erkenntnisse deuten darauf hin, daß Hypermedia bei richtiger Gestaltung lernförderlich sein kann. Es bietet potentiell eine höhere Anschaulichkeit und fördert die aktive Informationsauswahl. Jedoch gibt es keine aus dem Hypermedia-Einsatz ableitbare Erfolgsgarantie: viele Auswahlmöglichkeiten können beim Benutzer auch zu Verwirrung führen und verschiedene Darstellungsformen können sich gegenseitig stören.
Zu den vielfältigen Erfolgsfaktoren der pädagogisch-didaktischen Gestaltung zählen neben der Form der curricularen Einbindung die zugrundeliegende Lerntheorie, die in jeder Lernsoftware zum Ausdruck kommt, ebenso wie die Lernziele, der Interaktivitätsgrad sowie die Berücksichtigung individueller Differenzen.
Die Vielzahl miteinander in Beziehung stehender Einflußfaktoren schlägt sich auch in der Komplexität des Entwicklungsprozesses nieder, der meist in interdisziplinären Teams realisiert wird. Die Lernsoftwareentwicklung ist in einen pädagogischen Problemlösungsprozeß eingebettet und durch intensives Prototyping gekennzeichnet. Ausgehend von einer detaillierten Bedarfsanalyse werden Lösungsalternativen entwickelt und ausgewählt. In der Produktion muß eine Vielzahl gestalterischer Aspekte beachtet werden, da die Nutzung von Hypermedia zu Lernzwecken nicht unproblematisch ist. Entscheidende Bedeutung kommt der den Einsatz begleitenden formativen und summativen Evaluation zu, auch wenn die Durchführung einer validen Evaluation mit einigen Problemen behaftet ist.
Der Einsatzgrad hypermedialer Lernsysteme ist in deutschen Hochschulen und Universitäten trotz vieler einzelner Entwicklungsinitiativen vergleichsweise gering.
Im Rahmen dieser Arbeit wurde beispielhaft die komplexe hypermediale Lernumgebung ORWelt für den Bereich Operations Research (OR) entwickelt. Viele typische OR-Inhalte eignen sich sehr gut zur Visualisierung in Animationen und interaktiven Grafiken. Der Gestaltung des Lernsystems liegt eine moderat konstruktivistische Sichtweise zugrunde. ORWelt ist modular aufgebaut und leicht erweiterbar. Dabei sind die Themenkomponenten getrennt von der übergreifenden Funktionalität, wie beispielsweise der Navigation.
Diese Trennung erleichtert auch den Einsatz des bei der Entwicklung verwendeten partizipativen Entwicklungsmodells. Dabei gestalten Studenten unter fachlicher und technischer Anleitung einzelne Lernkomponenten des Systems. Eine weitgehende Standardisierung ist ebenso wie die sorgfältige Revision der erstellten Module für die Gewährleistung hoher Qualität unumgänglich.
Zu den Eigenschaften von ORWelt zählen u. a. unterschiedliche Zugriffsmodi, ein übergreifendes Glossar, integrierte Tests, die Möglichkeit benutzerspezifischer Anpassungen durch Anmerkungen und Lesezeichen sowie die Einbindung einer externen Komponente zur Lösung von Optimierungsmodellen.
Erste Ergebnisse der formativen Evaluation weisen darauf hin, daß ORWelt eine sinnvolle Unterstützung beim Erlernen von Operations Research darstellen kann.
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